Nun schaffe ich es doch nach dem großen Fête-de-la-Musique-Gewusel meine Eindrücke zu einem weiteren Ereignis für euch niederzuschreiben.
Der 18. und der 19. Juni sind Tage, die in Berlin all den grünen Daumen, Gewissen und Initiativen gewidmet werden, die sich mit Natur in der Stadt auseinandersetzen: Es war “Langer Tag der Stadtnatur” und quasi ein geballtes Stelldichein mit Förstern, Umweltverbänden, Museen, Wildkräuterliebhabern und Pferdeflüsterern.
Aus hunderten von Angeboten wählte ich aus und stopfte mir die zwei Tage voll mit verheißungsvollen Begegnungen. Vor allem die Stadtgärten in Berlin hatten es mir als Gärtnerin angetan.
Besucht habe ich den “Bürgergarten Laskerwiese”. Hier haben sich BürgerInnen mit der Grünflächenverwaltung äußerst symbiotisch zusammengetan. Die Fläche wird durch die Engagierten belebt, gepflegt und begärtnert, so dass die Stadt keine weiteren Pflegemaßnahmen in Angriff nehmen muss. Neben öffentlich zugänglichen Flächen gibt es Beete für die NutzerInnen, die durch einen Holzzaun vor neugierigen Hunden geschützt sind.
Anschließend ging es zum “Prinzessinnengarten”. Dieser Garten verfolgt einen anderen Ansatz. Er ist mobil, soll heißen, die Nutzpflanzen, die hier fast ausschließlich angebaut werden, sprießen nicht aus dem Boden, sondern werden in Kisten und Säcken großgezogen: vielleicht eine Antwort auf die Unwägbarkeiten denen man als Zwischennutzer von Flächen normalerweise gegenübersteht; ein schneller Umzug ist mit den Pflanzen in der Box allemal möglich. So wurde der Garten sogar schon in einem Theater untergebracht. Das Gemüse wird verkauft oder vor Ort zubereitet … und dann verkauft. So trägt sich der Garten und ist Ort für Begegnung, Jugendkultur und praktisches Symbol gelebter gründaumiger Urbanität.
Danach ging ein Abstecher in den Garten “Ton Steine Gärten”. Dieser liegt mitten an einer Straße am Mariannenplatz und zwar ohne Zäune. Das Grundstück ist frei zugänglich für jeden und dennoch gibt es gemeinsam oder individuell bewirtschaftete Beete.
Unter dem Titel “Schätze des Friedhofs” verbarg sich schließlich eine heilpflanzenkundliche Führung durch … wer ahnte es … einen Friedhof. Mein Fazit: Sehr erhellend und praktisch! Schachtelhalm und Alant als Kochgemüse gegen müde Knochen, Salat und Kräutersalze verfeinert mit Douglasientrieben, Sauerampfer für die Verdauung, Maronie gegen Hautkrankheiten – es war für jeden was dabei. Ich wusste ja, dass Heilkräuter vielseitig sind, aber dass uns derartig viel Gutes geradewegs allzeit in den Schlund wächst, hat mich verzaubert.
Von der Gruft ins Getreide hieß es dann, denn am ehemaligen ‘Todesstreifen’ der innerdeutschen Grenze informierte ich mich über Roggenanbau. Säkularisierung hin oder her, Kirche, Kunst und Universiät machen hier gemeinsame Sache. Roggen ist ein sehr nützliches Getreide, auch wenn man das geschichtlich gesehen nicht gleich erkannt hat. Anspruchsarm und wuchsfreudig wellte er sich in mitten Berlins über die städtischen Flächen. Natürlich ist das Roggenbrot für die Kirche ein wichtiges Symbol, vielleicht auch der Versönung, denn an der Stelle des Roggenfeldes stand einst eine Kirche die im Zuge des Mauerbaus im Grenzstreifen lag und niedergerissen wurde.
Der letzte Besuch galt der “Rosa Rose”, einem Stadtgartenprojekt in Berlin-Friedrichshain. Der Garten hat schon mehrere Etappen hinter sich, wurde zum Teil geräumt und musste letztlich drei Mal den Ort wechseln. Stadtgärtnern ist wie ein Labor für neue Begegnungsformen zwischen öffentlicher Hand und den Bürgern – der Wunsch nach Gestaltung durch den Bürger und ehenamtlichen Engagement existiert beiderseits, nimmt oft in der Realität in Konfrontation mit gewachsenen Regeln und Vorschriften aber verworrene und konträre Wege. Oft meint man ähnliches und spricht doch nicht die gleiche Sprache. Stadt und Bürger müssen sich angesichts dieser neu entstehenden Beteiligungs- und Initialbewegungen, wie dem Stadtgärtnern besser kennenlernen und Verlässlichkeit und Vertrauen bilden, wie zum Teil auch Aspekte der immer wieder aufflammenden Gentrifizierungsdebatten zeigen. In der “Rosa Rose” gab es einen regen Austausch über das Gärtnern in der Stadt: wie haben andere Personen damit begonnen, welche Fallstricke gibt es und wo findet man geeignete Flächen. Es gibt zig verschiedene Ansätze, teils bedingt durch die anvisierten und genutzen Flächen und die NutzerInnen und deren Motive.
Ich habe an diesen zwei Tagen viel gesehen und dabei die Vielfalt der Berliner Inititiativen genossen. Bei weitem habe ich nicht alle Stadtgärten in Berlin besuchen können, aber ich habe mir vorgenommen, bei jedem Berlinbesuch in einem vorbeizuschauen. Stadtnatur war in meinen Augen lange das öffentliche Grün, wie Parks und Co. Über Schrebergärten mit Ihrer Tradition hinaus, wächst jedoch auch das Grün, das die StadtbewohnerInnen im öffentlichen Raum selbst heranziehen und gestalten – vielleicht als Ausdruck des eigenen Lebensstils und Idealen aber auch als soziales Statement der Gemeinschaft und dem Wunsch nach Ursprünglichem.